SICHTFAHRGEBOT

„Fahre nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann“, lautet eine in der Motorradszene beliebte Sicherheitsempfehlung. Etwas weniger poesiealbumtauglich ist die inhaltlich verwandte Praxisregel, immer nur so schnell zu fahren, dass man innerhalb der jeweils zu überblickenden Strecke anhalten kann. Das macht nicht nur Sinn, dieses Gebot, im Fachjargon Sichtfahrgebot genannt, zählt sogar zu den wichtigsten Regeln im Straßenverkehr und hat als ►► § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO Eingang in die Straßenverkehrsordnung gefunden.

Das Sichtfahrgebot gilt für alle Verkehrsteilnehmer, auch Radfahrer, und unter allen Bedingungen. Bei schlechten Sichtverhältnissen (z.B. Starkregen oder Nebel) heißt es also runter vom Gas. Und bei Dunkelheit? Da gilt, dass man innerhalb des vom Abblendlicht ausgeleuchteten Fahrbahnbereichs dann anhalten können muss, wenn es keine weitere Fremdbeleuchtung gibt, was ja auf Landstraßen außerorts schnell mal der Fall sein kann.

Für Autobahnfahrten bei Dunkelheit wird aber offiziell eine Ausnahme gemacht. Hier muss gemäß ►► § 16 Abs. 6 StVO die Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts angepasst werden,
wenn die Schlussleuchten des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird,
– oder wenn der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig erkennbar sind.

Vorsicht auf schmalen Straßen!

Dort, wo Fahrbahnen so schmal sind, dass entgegenkommende Fahrzeuge beim Passieren gefährdet werden könnten, gilt übrigens ein nochmals strengeres Sichtfahr- und damit Geschwindigkeitsgebot. In solchen Fällen muss so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

Praktische Bedeutung:

Gerade für Motorrad- und Rollerfahrende ist das Fahren auf Sichtweite über die gesetzliche Verpflichtung hinaus ein nicht zu unterschätzender Sicherheitsfaktor, dessen Beachtung vermutlich nicht immer konsequent berücksichtigt wird. Auf kurviger, gut ausgebauter Landstraße etwa kann es bedeuten, die Geschwindigkeit dort kräftig zu drosseln, wo der Kurvenverlauf nicht weitläufig einsehbar ist. Auch wenn der Kurvenswing noch so lockt, hinter der Biegung kann jederzeit ein Hindernis auftauchen oder die Fahrbahn großflächig verschmutzt und rutschig sein. Wohl dem, der sein Tempo auf Sichtweite hin reduziert hat und dann gar nicht erst auf den eher unzuverlässigen Schutzengel angewiesen ist.