Bestimmt kennt jede oder jeder eine dieser Geschichten, in denen von Motorradfahrern berichtet wird, die mit neuen Reifen vom Hof des Händlers gefahren sind und gleich in der ersten Kurve auf der Nase lagen. War doch klar, denn, so lautet die hinterhergeschobene Erklärung, frisch aufgezogene Neureifen sind äußerst rutschig und müssen erst vorsichtig „eingefahren“ werden. Stimmt das überhaupt? Oder war das nur früher so?

Ganz so schlecht, wie in solchen Geschichten oft ausgeschmückt, ist die Haftung von Neureifen nicht. Von einem heimtückischen Wegglitschen schon bei moderater Fahrweise kann jedenfalls keine Rede sein. Dennoch gilt weiterhin, dass man mit neuen Reifen auf den ersten 50 bis 100 Kilometern vorsichtig zu Werke gehen sollte, da sie anfangs noch nicht ihr vollständiges Haftungsvermögen besitzen.

Dafür können mehrere Ursachen verantwortlich sein. Zunächst einmal ist es so, dass Neureifen grundsätzlich eine noch recht glatte Oberfläche besitzen. Zudem können sich noch die in der Reifenproduktion eventuell verwendeten Trennmittel auf der Lauffläche befinden, die ebenfalls die Haftung herabsetzen. Und nicht zuletzt werden Reifen herstellerseitig bisweilen mit einer wächsernen Schutzschicht versehen, die den Alterungsprozess verlangsamt und die Reifen lagerungsfähig macht. All dies sorgt dafür, dass man Neureifen zunächst Zeit geben muss, bis die Lauffläche aufgeraut und damit erst richtig griffig ist.
Mittlerweile sind Reifen verfügbar, die vom Hersteller bereits „künstlich“ angeraut werden. Das verkürzt den Einfahrprozess erheblich. Ansonsten gilt: Gehen Sie anfangs besonnen ans Gas und vermeiden Sie nach Möglichkeit allzu starke, abrupte Bremsmanöver. Eine vorausschauende Fahrweise ist immer ratsam und das gilt insofern auch und insbesondere an dieser Stelle. Auch die Schräglagen sollten in dieser Phase zunächst moderat ausfallen.

Das behutsame Herantasten hat den weiteren Vorteil, dass man Zeit hat, sich mit den Fahreigenschaften der neuen Pelle vertraut zu machen, bevor man ihr volles Potenzial ausschöpft.